Meisterhafte Analyse

Zurzeit lese ich mit grossem Interesse das neue Buch von Gilles Kepel. Es heisst: «Chaos und Covid. Wie die Pandemie Nordafrika und den Nahen Osten verändert» (Verlag Kunstmann). Kepel arbeitet mit seinem in 40 Jahren erworbenen Fachwissen die grossen Zusammenhänge der Entwicklungen im Nahen Osten und im Maghreb heraus. Das gelingt ihm meisterhaft. So hält er etwa fest, dass mehrere autoritäre Regimes ihr «Erpressungspotential» gegenüber Europa aktivieren. Dieses liege «im Zustrom illegaler Migranten, in der Belieferung mit Erdgas und der Wahlbeeinflussung europäischer Muslime». Von grosser Bedeutung ist laut Kepel in diesem Zusammenhang der Umstand, dass Erdogan die beiden wichtigsten Flüchtlingsrouten aus Asien und Afrika in Richtung Europa kontrolliert: über die Ägäis und den Balkan auf der einen, über die libysche Küste auf der anderen Seite. Die Türkei, Russland und Iran hätten zudem die Absicht, «die westlichen Demokratien ins Abseits zu drängen». Eine nicht sehr erquickliche, aber äusserst wichtige Lektüre.