Seit einigen Tagen erschüttern unerwartete Jugendproteste ganz Marokko. Unerwartet? Oberflächlich gesehen: ja. Das Land gilt als stabil, und es ist mit Abstand das am besten regierte Land des Maghreb. Wer das Land näher kennt, weiss allerdings, dass in den Peripherien der grossen Städte und im abgehängten Hinterland hunderttausende junger Menschen leben, die kaum Perspektiven im Leben haben und unter Arbeitslosigkeit, Korruption, dem schlechten Zustand vieler Spitäler und anderen Faktoren leiden. Sie profitieren kaum von den Fortschritten, die das Land in den letzten Jahrzehnten geschafft hat und auch nicht von einer Reihe prestigeträchtigen Projekte wie dem Hochgeschwindigkeitszug von Tanger nach Casablanca. In dem Sinn ist es nachvollziehbar, dass ein Kollektiv mit dem Namen Gen Z 212 eine latente Stimmung der Frustration und Ausweglosigkeit aufgegriffen und zu landesweiten Protesten aufgerufen hat. – Niemand weiss, wie es nun weitergeht; die gewalttätigen Zusammenstösse zwischen Sicherheitskräften und den Jungen gehen weiter, und die Appelle der Regierung verhallen ungehört. Gewisse Beobachter befürchten, die Demonstrationen könnten können ausser Kontrolle geraten. So rief der ehemalige Premierminister Abdelilah Benkirane die Gen Z 212 dazu auf, die Proteste zu beenden « avant de basculer dans l’inconnu ».