Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich mit dem Thema Kolonialismus umgegangen wird, je nachdem, welche Akteure beteiligt sind. Bei China und der Türkei – um nur zwei Beispiele zu nennen – sind die Reaktionen im Westen ziemlich zurückhaltend. „Die Türkei kehrt in ihre osmanischen Gebiete zurück“ steht etwa in der regierungsnahen türkischen Zeitung Yeni Akit. Es gehe um «die rigorose Durchsetzung der türkischen Interessen im Mittelmeerraum», schreibt Le Monde Diplomatique. Offenbar sind bereits in zehn Ländern türkische Soldaten stationiert. – Würde sich Frankreich oder eine andere europäische Kolonialmacht nur andeutungsweise so äussern, so würden sofort hunderttausende auf die Strasse gehen. Aber eben, da wird mit unterschiedlichen Ellen gemessen. – Interessant die Analyse von Jean Michel Morel, dass Russland in Libyen einen «eingefrorenen Konflikt» schaffen will. «In Libyen zeichnet sich also ein „syrisches Szenario“ mit einer Teilung des Landes in Einflusszonen ab, eine Art türkisch-russisches Kondominium, um die Beute zu teilen – allerdings nicht zu gleichen Teilen.»