Wie ist der marokkanische Kalligraf in ein Tessiner Bergdorf gelangt? Das ist eine lange Geschichte. Fest steht: Der Aargauer Maler Otto Wyler hat einen traditionell gekleideten Mann mit edlen Gesichtszügen und einem kleinen Tintenfässchen samt Feder vor sich im Jahr 1935 gemalt. Wahrscheinlich in Fes, dessen spirituelle Tradition Mitte der 1930-er Jahre auch den Basler Titus Burckhardt anzog, der dort zum Islam konvertierte und sich fortan Scheikh Ibrahim nannte. – Wyler war von Marokko offenbar begeistert. «Während aus Deutschland immer bedrohlichere Nachrichten eintreffen, träumt Wyler Mitte der dreissiger Jahre in Marokko von einer idealeren Welt – wie Klee, Macke und Moilliet kurz vor dem Ersten Weltkrieg in Tunesien. Wyler berauscht sich in Tanger, Fès und Marrakesch an den intensiven Farben (…)», schreibt Roman Hollenstein in der NZZ. Wyler gelangte Jahrzehnte später ins Tessin und lebte mehrere Jahre in Losone unweit von Locarno. Zahlreiche Bilder mit Tessiner Motiven zeugen von dieser Zeit. – Als vor wenigen Wochen ein Freund unerwartet dieses Bild von Wyler ins Centovalli mitbrachte und kurzerhand erklärte, dieses sei hier am richtigen Ort, wenn auch nur als Leihgabe, konnte ich fast nicht widersprechen… Nun hängt der meditierende Schreiber in meinem Gästezimmer. – Das Museum Franz Gertsch in Burgdorf zeigt zurzeit eine Ausstellung mit Werken von Otto Wyler (©Foto: BS).
https://www.nzz.ch/feuilleton/vergessenes-schweizer-malergenie-otto-wyler-neu-entdeckt-ld.1650644