Frau, Leben, Freiheit!

Was für ein unglaublicher Slogan: Frau, Leben, Freiheit. Welch unglaublicher Mut von Frauen, aber auch von jungen Männern, gegen die Tötung von Mahsa Amini zu protestieren; dieser jungen, nicht korrekt verschleierten Frau, die von iranischen Sicherheitskräften und Revolutionswächtern höchstwahrscheinlich umgebracht worden ist. Und was für ein grässliches, menschenverachtendes, verkrustetes Regime, das nun um sein Überleben kämpft. Das seit Wochen die Proteste mit brutalsten Mitteln zu ersticken versucht. – Doch sind diese Proteste wirklich ein Dammbruch? Sind die Tage des Mullah-Regimes gezählt? Es wäre zu hoffen. Doch in den vergangenen Jahren haben derart viele Diktaturen die Aufständischen so lange zusammengeschlagen, bedroht, niedergewalzt und gefoltert, bis die Revolten in sich zusammensackten. Vielleicht droht gar ein Bürgerkrieg (siehe Kourosh Ardestani, NZZ vom 22.11.22). Zudem verfügt Iran, wie bekannt, über mächtige Verbündete, die den Fall des Regimes kaum zulassen werden. Es ist deprimierend. – Trotzdem erkenne ich einen Aspekt, der wieder etwas zuversichtlich stimmt. Einmal mehr ist deutlich geworden, dass islamistische Hardliner, ja genau genommen alle islamistischen Parteien und Bewegungen, zumindest bis heute nicht in der Lage waren, ein Land auf vernünftige und erfolgreiche Weise zu regieren. Ihr Scheitern ist eklatant. Dies ist von grosser Bedeutung, weil Khomeiny 1978/79 den Islamisten in der ganzen islamischen Welt als Vorbild diente. So auch in Marokko, wo sich Scheich Abdessalam Yassine explizit auf die iranische Revolution bezog. – Vielleicht gelingt es auch all jenen, die in Niqab, Abaya und Burka bloss eine individuelle Entscheidung für eine Art Kleidermode sehen wollen, die Augen zu öffnen; angesichts von Frauen, die sich den Tschador vom Kopf reissen und verbrennen.

https://www.nzz.ch/international/proteste-in-iran-die-ersten-demonstranten-greifen-zu-den-waffen-ld.1712900