Holzschnittartige Weltsicht

Auch an Schweizer Universitäten ist es im Zusammenhang mit dem Krieg in Gaza zu Demonstrationen und Besetzungen gekommen. So verständlich es ist, dass die Studierenden durch den furchtbaren Gazakrieg aufgewühlt sind, so problematisch scheint es mir, wenn gleich ultimative Forderungen gestellt werden, die eine Universität niemals akzeptieren kann. Wäre nicht die Forderung nach einem Podium auf hohem Niveau, an dem die strittigen Punkte von Fachleuten diskutiert werden, nicht ein sehr viel zielführender Weg? Doch das Weltbild vieler Demonstrierender scheint von holzschnittartiger Einfachheit zu sein. Hier die Täter, dort die Opfer. Alles was nicht in ein vorgegebenes Täter-Opfer-Schema und in die anti-imperialistische, postkolonialistische Ideologie passt, wird schlicht weggelassen. So kommt es zu einer obsessiven Fixierung auf Israel, und die schrecklichen Kriege in Sudan, Yemen wie auch die Rehabilitierung des Regimes in Syrien, das für die Zerstörung eines ganzen Landes und die Flucht von Millionen von Menschen verantwortlich ist, fallen schlicht aus dem Blickfeld.

«Wie kommen Studenten und sich mit ihnen solidarisierende Dozenten an vielen der besten Universitäten der Welt zu solch einseitigen und brachialen Ansichten?», schreibt Peter Rasony in der NZZ. «Das ist schwer zu erklären. Plausibel ist die Annahme, dass sie dermassen in den woken, postkolonialen Erklärungsmustern gefangen sind, die derzeit an den Fakultäten der Geistes- und Sozialwissenschaften gelehrt werden, dass sie gar nicht anders können.Allerdings würde man von den künftigen akademischen Eliten schon erwarten, dass sie an einer differenzierteren Auseinandersetzung mit der Welt interessiert sind.»

Doch waren es überhaupt mehrheitlich Studierende, die in den vergangenen zwei Wochen von sich reden gemacht haben? In Basel hat man die Besetzer des Bernoullianums ohne Identifikation ziehen lassen. Doch an der ETH in Zürich und auch anderswo wurde festgestellt: Die überwiegende Mehrheit der Besetzer waren gar nicht Studierende, sondern propalästinesische Aktivisten. Das rückt diese Besetzungen nochmals in ein anderes Licht.

https://www.nzz.ch/meinung/studentenproteste-gegen-israel-schaden-den-universitaeten-ld.1830475