Der tunesische Präsident Kais Sayed hat gestern die Macht übernommen. Laut dem wohl angesehensten tunesischen Juristen und Spezialisten für Verfassungsrecht, Yadh Ben Achour, ist sein Vorgehen klar illegal und somit eine Art Staatsstreich: Die Notstandsvorschriften der neuen Verfassung würden sein Vorgehen nicht rechtfertigen. Tunesien sei nun wieder zu einer Diktatur geworden. Auch der tunesisch-schweizerische Jurist Ridha Fraoua beurteilt Sayeds Vorgehen als Putsch: Er führe nun „ein Präsidialregime ausserhalb der Verfassung“. Absolut indiskutabel sei insbesondere die Aufhebung der Gewaltentrennung. Der angesehene Journalist Nizar Bahloul vergleicht das Vorgehen von Kais Sayed gar mit Ben Alis Machtübernahme im November 1987: „Ce qu’a fait Kaïs Saïed hier est identique à ce qu’a fait Zine El Abidine Ben Ali en 1987 et ce qu’ont fait plusieurs dans les pays africains : un coup d’état de velours, sans effusion de sang“. – Was bedeutet dies alles für Tunesien? Sehr viele Tunesierinnen und Tunesier, vor allem auch junge Menschen, scheinen Sayeds Vorgehen zu begrüssen. Doch das Land hat sich damit auf ein Experiment eingelassen, dessen Ausgang vollkommen ungewiss ist.
https://www.france24.com/fr/vidéo/20210726-tunisie-un-coup-d-état-constitutionnelle
https://www.srf.ch/play/tv/-/video/-?urn=urn:srf:video:ed96cde7-dab9-4254-8bce-8aa720f30cfe