Fahrt von Milano Centrale nach Lugano. Nur Personen mit gültigen Fahrausweisen können den Eurocity besteigen, zumindest in der Theorie. In meinem Wagen sitzen mehrere Personen, die Flüchtlinge bzw. Migranten sein könnten. Wir kommen in Como an, fahren bald weiter nach Chiasso. Grenzwächter beginnen, den Zug systematisch zu durchkämmen. Einige Passagiere versuchen sich in die Toiletten einzuschliessen oder auszusteigen und nach der Kontrolle wieder einzusteigen. Funktioniert nicht; die Grenzwächter kennen die Tricks. 10-12 Migranten oder Asylsuchende müssen den Schnellzug verlassen und werden ins Bundesasylzentrum geführt. Täglich dürften es weit über hundert Personen sein. Was mit ihnen anschliessend passiert, ist eine andere Frage. Reisen sie schon am nächsten Tag weiter in Richtung Germany? Die Situation in Chiasso sei nicht wirklich ein Problem, gab Bundesrätin Baume-Schneider kürzlich gegenüber Medien. Die meisten wollten ohnehin weiterreisen. Das ist eine erstaunliche Aussage. Denn zum einen ist es höchst unsolidarisch, Migranten einfach in die Nachbarländer weiterziehen zu lassen. Zum andern betrifft das Problem der umherziehenden Migranten und auch die so genannte Sekundärmigration den gesamten Schengenraum. So ist es sehr wohl möglich, dass Migranten, die durch die Schweiz gereist sind, irgendwann wieder von Frankreich oder Deutschland her in die Schweiz einreisen. – Die Ignoranz und Hilflosigkeit der meisten Politiker dem Phänomen der irregulären Migration gegenüber ist erschreckend. – Ein junger Mann aus Guinea-Conakry hat es geschafft, sich den Grenzkontrollen in Chiasso zu entziehen. Kurz vor Basel fragt er mich, wie er am besten nach Deutschland komme. – Am nächsten Tag schreibt er mir: «Ich bin in Deutschland! Dank Gottes Hilfe habe ich es geschafft!» (Foto: Symbolbild, ©BS)