Umkehr

Im Rahmen der Recherche zu meinem neuen Buchprojekt habe ich die Gelegenheit erhalten, den niederländischen Migrationsforscher und Universitätslehrer Ruud Koopmans zu einem längeren Gespräch zu treffen. Koopmans hat vor kurzem ein Buch unter dem Titel «Die Asyl-Lotterie. Eine Bilanz der Flüchtlingspolitik von 2015 bis zum Ukraine-Krieg» veröffentlicht. Es ist eine hellsichtige Analyse. Auch im persönlichen Gespräch erweist sich Koopmans als sehr scharfsinnig. Die zentrale Forderung seines neuen Buchs ist eine Art «Umkehr». Statt individuell Asyl zu gewähren, sollte jedes Land Europas grosszügige «humanitäre Kontingente» einführen. Auf solche Weise könnte eine hohe, aber klar begrenzte Zahl von Schutzsuchenden mithilfe des UN-Flüchtlingswerks direkt aus Krisen- und Kriegsgebieten nach Europa eingeflogen werden. Je mehr es gelingen würde, die irreguläre Migration einzudämmen, umso mehr Menschen könnte geholfen werden. Vor allem müssten diese keine gefährliche Reise übers Meer antreten. – Unabdingbar dafür wäre, so Koopmans, die Auslagerung der Asylverfahren in Drittstaaten und die Öffnung legaler Wege für Arbeitsmigration. Koopmans Konzept steht und fällt allerdings mit dem Willen, die irreguläre Migration einzudämmen: «Ohne eine wirkungsvolle Einschränkung der irregulären Asylmigration kann man sich alle Gedanken über grosszügige humanitäre Aufnahmekontingente und humanitäre Visa sparen.»